Riese Zampano

 

Kinder sind doch eine Bereicherung im Leben. Ich jedenfalls mochte ohne die Kleinen nie sein. Sie geben Freude, aber machen auch Sorgen. Das nehmen wir doch gerne in Kauf. Aber, ja es gibt auch ein Aber. Manchmal können unsere Sprösslinge uns auch auf den „Geist“ gehen.
Unser Großer war eigentlich ein gutes Kind. Außer er hatte einen Bock oder machte Blödsinn. Aber vielleicht verstanden wir Erwachsenen sie auch nicht.
Unsere hatte eine Schwäche – er war ein Plappermäulchen. Egal wo wir waren, was wir machten, der Mund stand nicht still. Es ging immer: „Guck mal Papa? Was ist denn das?  Was macht der da?“ Man konnte ihn sagen, was man wollte. Das Mundwerk stand nicht still. Manchmal schaute ich nach, ob seine Lippen nicht schon Franzen hatte. Wenn ich dies tat, dann schaute er immer ungläubig. Und wenn man dachte, nun gibt er Ruhe, dann war nach zwei Minuten die Pause beendet.

Eines Jahres waren wir mit unserem sechsjährigen Sohn im Winterurlaub. 
Eines Vormittags gingen wir spazieren. Es lag wenig Schnee. Wir ginge durch den Ort in Richtung Wald. Aber an Erholung war nicht zu denken. Der Mund unseres Kindes hatte wieder einmal „Hochbetrieb“. Immer wieder sagten wir: „Halte doch mal für fünf Minuten den Mund.“ Aber weiß ein sechsjähriger wie lange fünf Minuten sind? Er jedenfalls nicht, das war sicher.

So gingen wir durch den Wald, ohne die nötige Ruhe zu finden.
An einer Waldkreuzung rief plötzlich unser Junge: „Papa komm mal her. Guck mal, was ist denn das?“ Ich ging zu meinem wissensdurstigen Sohn. Ein Blick genügte, und ich sagte, ohne Hintergedanken, das ist ein Schuhabdruck.
Er stellt seinen Schuh in den Abdruck, und sah das seine Schuhe viel zu klein waren. Nun mussten Mama und ich einen Schuhvergleich machen. Der Abdruck war noch weit größer.

Der Stiefelabdruck stammte sicher von einem Forstarbeiter, der bei matschigen Boden ein wenig ausgerutscht war. Der Frost hatte ihn haltbar gemacht. So kam ich auf eine Idee. Sie war vielleicht nicht pädagogisch, aber es war ein Versuch. Und Spaß machte es alle Mal.

Ich sagte: „Wenn unsere Schuhe zu klein sind, von wem sind sie dann?“ Ich tat so, als würde mir nicht einfallen. Es dauerte nicht lange, und mein Großer meinte: „Das ist bestimmt der Fuß von einem Riesen!“ Sofort tat ich erschrocken: „Was hier gibt es einen Riesen?“, und machte ein ganz verstörtes Gesicht, und schaute meine Frau an. Diese nahm meinen Gedanken sofort auf, und sagte: „Aber Papa, hast du es nicht in der Zeitung gelesen, dass hier in der Gegend der „Riese Zampano“ gesehen wurde?“ Ich verneinte, tat aber so, als ob es der Wahrheit entsprechen könnte. Ich schaute mich ganz nervös in alle Richtungen um. Auch mein Sohn sah ringsherum. Jetzt fing ich an zu flüstern, und sagte ganz leise zu ihm: „Der Zampano darf uns nicht hören. Wer weiß was passiert, wenn er mitbekommt, dass in seinen Wald Menschen sind. Vielleicht tut er uns böses an. Da müssen wir jetzt ganz leise aus den Wald gehen.“ Der Junge schaute mich ganz verstört an, und legte seinen Finger auf seinen Mund. Beim Weitergehen schauten wir immer einmal rechts und links zwischen die Bäume.

Es war eine himmlische Ruhe, die wir Erwachsenen wirklich genossen.
Und sie werden es nicht glauben, wir waren auch überrascht. Unser Sprössling hielt tatsächlich für eine viertel Stunde den Mund. Aber sobald wir aus den Wald heraustraten, hatte sein Mundwerk wieder Hochkonjunktur.

So geht es uns Eltern manchmal. Aber wir haben doch unsere Kleinen sehr lieb. Oder?

 

 

DG-10.08.2018