Peter und die Null          

                                                               Ausgedacht und aufgeschrieben

                                                                      von Dieter Geißler

 

 

Hallo und guten Tag, meine lieben kleinen Freunde.
Ich freue mich, dass ihr wieder zu mir gekommen seid, um eine neue Geschichte zu hören. Heute soll es einmal in meiner Geschichte um die Frage gehen „Was ist wichtig, was ist unwichtig.“ Gibt es überhaupt etwas Unwichtiges?
Ich habe mal irgendwo gelesen „Jedes Ding hat seinen Sinn.“ Und wenn ich darüber nachdenke, glaube ich, dass dies auch stimmt.
So ist mir eine Geschichte eingefallen, die ich euch heute erzählen möchte. Es geht um die Ziffer „NULL“, die ja angeblich nichts „wert“ ist.
Also wie immer – die Ohren gespitzt.


Irgendwo, ich weis nicht wo, lebt ein Junge. Sein Name ist Peter, er ist 9 Jahre alt. Außer seinen Eltern gibt es in der Familie noch seine Schwester Yvonne und sein Bruder Marcus.
Yvonne ist 12 und Marcus 16 Jahre alt.
Peter ist bei seinen Freunden beliebt, da er klug ist, und immer ein Lächeln auf den Lippen hat. Er ist ein guter Schüler und hilft auch seinen Freunden, wenn diese mal ein paar Probleme beim Lernen haben.
Besonders gern hat er das Fach Mathe. Darin kann ihm in seiner Klasse keiner etwas vormachen.
Aber es gibt auch ein Fach, das er gar nicht mag. Und das ist das Fach Sport. Da bekommt er meist Bauchschmerzen, wenn er nur das Wort liest. Das hat natürlich auch seinen Grund. Peter mag sehr gerne Schokolade und Gummibärchen. Das schmeckt ja auch gut.
Und da er manchmal zu viel davon isst, hat er eben mit seinem Gewicht zu tun, und trägt eine kleine Kugel vor sich her. Und im Sportunterricht hat er dadurch Probleme, was seinen Freunden nun gar nicht gefällt.
Und mit dem Sportunterricht fängt meine eigentliche Geschichte an.

Peter geht in die Klasse 3b der „Adam-Riese-Grundschule“. Und er geht gern in die Schule, zumal er ein guter Schüler ist, und ihm das Lernen Spaß macht, außer dem unschönen Fach Sport.
In Peters Schule gibt es etwas Besonderes. Um in der Schule den Gemeinschaftsgeist zu fördern, gibt es einen Wettbewerb in jeder Klassenstufe, wo die beste Klasse ermittelt werden soll. Dieser wird in allen Fächern durchgeführt, und soll die Schüler dazu bringen, dass sich alle untereinander helfen.
An Peters Schule gibt es zwei dritte Klassen. Seine Schule hat eine sehr schöne Turnhalle, wo

man alle sportlichen Übungen und Spiele durchführen kann. Beide Klassen teilen sich gleichzeitig diese Halle. Aber einmal im Monat werden die Klassen zusammengelegt. Die Mädchen beider Klassen sind bei der Sportlehrerin der Klasse 3a, und die Jungen werden vom Lehrer der 3b betreut. In diesen Unterrichtsstunden findet der sportliche Wettkampf zwischen den dritten Klassen statt. Leichtathletik, Fußball, Geräteturnen werden getestet.
Heute soll ein Geschicklichkeitsparcours stattfinden. Dabei geht es auf eine Strecke, in der man über Kästen springen muss, Schlängellinie laufen, mit Bällen Körbe treffen soll und vieles mehr. Peter hat vor diesem Spiel so richtig Angst, weil er jetzt schon weis, dass er sehr große Schwierigkeiten haben wird.
Der Sportlehrer erläutert die Streckenführung, lässt Aufstellung nehmen, und mit einem Pfiff beginnt der Wettkampf.
Peter ist der letzte Teilnehmer in seiner Gruppe. Und je näher er seinem Startpunkt kommt, desto mehr kommt er ins Schwitzen.
Seine Gruppe ist gut und liegt auch in Führung, was Peter noch mehr in Bedrängnis bringt.
Jetzt ist er dran. Er rennt los und will sich alle Mühe geben, es zu schaffen. Aber schon beim ersten Kasten bleibt er hängen. Beim Zielballwerfen trifft er von den fünf Bällen nur einen in den Korb. Peter ist sauer auf sich. Und vom Rande, der Stecke, hört er seine Klassen-
kameraden schimpfen, und von der Gegenmannschaft ist Siegesjubel zu hören.
Am Ende ist die 3b, Peters Klasse der Verlierer. Peter ist traurig und mag keinen seiner Freunde anschauen. Am liebsten möchte er weinen. Aber das will er den anderen nicht zeigen.
Es ist alles ganz ruhig, keiner seiner Klasse sagt etwas.
Nach der Unterrichtsstunde gehen die Mannschaften in die Umkleidekabinen. Auch hier ist es zunächst still. Doch nach einiger Zeit fängt einer der Jungen an, es ist Ralf und eigentlich sein Freund, zu meckern: „Ja Dicker, das hast du ja wieder gut hingebracht. Da werden uns die Punkte fehlen. Es wäre besser gewesen, du wärst heute wegen Schnupfen gar nicht erst in die Schule gekommen. Im Sport bist du halt einfach nur ein Versager. Du bist eine NULL“, so der Schüler.
In Peters Augen kamen Tränen, er konnte sie nicht mehr halten, und fing an zu weinen. Alle anderen Schüler sagten nichts oder nickten nur mit dem Kopf. Keiner stellte sich auf seine Seite. Wo waren seine Freunde? Peter war mit der Welt fertig. Aber Gott sei Dank war die Sportstunde die letzte Unterrichtsstunde des Tages.
Er zog sich um, nahm seine Schultasche und seine Sportsachen und ging mit hängendem Kopf und mit Tränen in den Augen nach Hause.
Zu Hause angekommen ging Peter sofort in sein Zimmer. Er war froh, dass er alleine im Hause war. Peter warf sich auf sein Bett, weinte ins Kissen und trommelte mit den Fäusten auf das Bett. Dabei schrie er immer wieder: „ Ich bin nichts Wert, ich bin eine NULL, NULL, NULL“. Es dauerte eine ganze Zeit, bis er sich beruhigt hatte.
Er ging in die Küche und nahm sein Mittagessen aus dem Kühlschrank. Seine Mutter hatte ihm, wie soll es auch anders sein, Nudeln und Tomatensoße gemacht, die er sich auf dem Herd warm machte.
Er aß, aber es schmeckte ihm nicht besonders. Nicht das seine Mutter schlecht gekocht hatte, sondern weil er Wut im Bauch hatte.

Nach dem Essen ging er wieder auf sein Zimmer, holte sich eine Tüte Gummibärchen, setzte sich an den Schreibtisch und wollte seine Schularbeiten erledigen.
Als Erstes machte er die Deutschhausaufgaben, danach kam Mathe dran. Er holte seine Matheheft und Mathebuch aus seiner Schulmappe. Er schlug Heft und Buch auf und schaute sich seine Aufgaben an.
Peter sah aber seine Aufgaben nicht. Er sah nur Zahlen. Sie tanzten umher. Jetzt glaubte er sogar, die Zahlen sprechen zu hören. Die Ziffern stritten sich. Jede Ziffer wollte die Beste sein. Die 7 brüstete sich damit, dass sie viel mehr Wert sei, als die eingebildete 3. Und dann redeten alle Zahlen durcheinander. Bis, bis sich eine Ziffer laut meldete und den anderen zu verstehen gab, das doch alle Ziffern gleich viel wert wären. Da lachten die andern Ziffern. Und die 9 sagte zu ihr: „Das musst ausgerechnet du sagen. Du bist doch am wenigstens wert, du bist doch nur die Null.“
Dann waren die Zahlen verschwunden.
Peter machte sich an seine Hausaufgaben. Aber so richtig ging es heute nicht vorwärts. Das Addieren machte Schwierigkeiten, was sonst alles von alleine ging. Er rechnete die verschiedenen Zahlen zusammen, und in der Summe kam eine Null vor. Peter hielt beim Schreiben inne. Seine Hand weigerte sich, diese Null zu schreiben, und er warf seinen Stift auf den Tisch. Er lehnte sich zurück und sagte laut: „Warum soll ich eine Null schreiben, die ist doch nichts wert. Ich bin auch eine Null, und auch nichts wert.“
Da meldete sich ein Stimmchen, und sagte: „Aber Peter, du hattest doch bisher keine Probleme mit der Null?“
Peter schaute sich um, wer sprach da? Und da sah er sie. Es war die Ziffer NULL. Sie hüpfte auf seinem Heft herum und schaute Peter an. Er guckte sie an und sagte zu ihr: „Verschwinde. Ich will von dir nichts wissen. Von Nullen habe ich heute genug. Ich bin eine NULL, du bist eine NULL. Ich bin nichts wert, du bist nichts wert. Also lass mich in Ruhe.“
„Das ist doch nicht wahr. Wir sind alle etwas wert. Was wären deine Freunde ohne dich, und was wäre, wenn es bei den Ziffern keine Null gäbe?“
sprach die Ziffer zu ihm.
Aber Peter wollte nichts wissen, sie sollte verschwinden. Die Null redete auf den Jungen ein und wollte ihn eines Besseren belehren.
Peter wurde immer wütender und wütender. Er konnte sich einfach nicht beruhigen und verspottete und beleidigte die Null.
Darüber war die Null traurig. Und da er sie beleidigt hatte, sagte die Null bösartig zu ihm: „Peter, warte nur. Ich werde dir beweisen, wie wichtig eine Null sein kann. Du wirst an mich denken und dich bei mir entschuldigen. Darauf kannst du dich verlassen.“  
Und verschwunden war die Null.
Peter schüttelte den Kopf, und in Gedanken sagte er sich, dass es ihm doch egal sei, was die Null meinte. Was soll die Null schon machen.
Er erledigte seine Hausaufgaben und legte sich dann auf Bett, um nachzudenken. Beim Nachdenken schlief Peter ein.
Irgendwann am späten Nachmittag wurde Peter von einem Geräusch geweckt. In der Küche wurde gesprochen. Sicher sind jetzt Mutti und Yvonne vom Einkauf gekommen, dachte Peter.
Beide wollten sich heute in der Stadt treffen, da seine Schwester neue Schuhe brauchte.

Peter erhob sich von seinem durchwühlten Lager und ging hinunter in die Küche. Seine Mutter und seine Schwester packten gerade die Sachen aus, die sie im Supermarkt eingekauft hatten.
Peter begrüßte beide und gab seiner Mutter einen Kuss auf die Wange.
„Na, wie war dein Tag? War es schön in der Schule und hast du deine Schularbeiten schon gemacht? Aber was ich sage denn da, natürlich hast du sie schon gemacht“, sagte die Mutter und lächelte ihren Sohn an.
„Alles easy.“ antwortete der Junge. Seine Schwester schaute ihn an, wiegte den Kopf, sodass ihr die Haare ins Gesicht fielen, und meinte: „Das sieht aber nicht so aus. Dein Gesicht ist so zerknirscht. Hast du etwas?“
„ Nee, nee, alles in Ordnung. Bin bloß beim Lesen eingeschlafen. War ein anstrengender Tag“,
sagte Peter als Ausrede, damit er nichts von der Schule erzählen musste. Das brauchte seine Familie nicht zu wissen, dachte er bei sich.
Peter half beim Aufräumen, in dem er einige Konserven in den Keller brachte. Dann ging er ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Mit der Fernbedienung zappelte er durch die vielen Programme, bis er einen japanischen Zeichentrickfilm fand.
Nach einiger Zeit klappte die Tür, und sein Bruder Marcus kam vom Gymnasium nach Hause. Dieser schmiss seinen Schulrucksack in eine Ecke, ging am Wohnzimmer vorbei und sah Peter. „Unser Kleiner guckt schon wieder Zeichentrick. Wirst du denn nie groß?“, bemerkte Marcus und ging weiter in die Küche, wo er fragte: „Was gibt es zu essen? Ich habe einen Bärenhunger.“
„Wie wäre es mit einem Guten Tag, mein großer Sohn. Oder sind wir für dich heute durchsichtig?“,
gab die Mutter mit einem verschmitzten Lächeln zurück. Marcus entschuldigte sich, ging zur Mutter, drückte sie und hob sie in die Luft, worauf sie mit einen lauten Schrei reagierte.
Beim Abendbrot sagte die Mutter: „Hört mal Kinder. Ich habe heute mit Papa telefoniert. Er sagte mir, dass er am Wochenende nicht nach Hause kommen kann. Sie müssen mit dem Bauprojekt so schnell wie möglich fertig werden. Da habe ich mir gedacht, wir fahren zur Oma. Was meint ihr?“
Marcus winkte gleich ab. „Ich kann nicht mitkommen. Wir sind am Wochenende beim Hallenfußball. Das steht aber schon seit Wochen fest.“ 
„Ja, ja. Du magst bloß nicht mitfahren. Dann bleibst du eben da. Ich jedenfalls freue mich auf Oma und Opa. Opa wird mir bestimmt wieder mein Taschengeld aufbessern.“
sagte Yvonne.
Und ihre Mutter gab ihr zu verstehen, dass sie nicht immer so materialistisch denken sollte.
„Stimmt ja Marcus, daran habe ich gar nicht mehr gedacht. Dann gehst du zum Fußball und wir fahren zur Oma. Und was meinst du Peter? Du bist heute so still?“, sagte Mutter in die Runde.
Peter sagte: „Du weist doch, dass ich gerne zu Omi und Opi fahre. Natürlich möchte ich.“ „Dann darfst du auch gleich nach dem Essen der Oma Bescheid sagen, dass wir kommen.“ , gab die Mutter zurück. Nach dem Abendessen räumten Yvonne und ihre Mutter den Tisch ab, Marcus ging in sein Zimmer.
Peter ging zum Telefon, um die Oma anzurufen. Er wählte die Kurzwahlnummer für die

Großeltern. Aber was er hörte, war: „Diese Nummer ist uns nicht bekannt. Bitte rufen sie die Auskunft an.“
Peter wunderte sich und drückte noch einmal auf die Taste. Aber auch jetzt kam diese Ansage erneut. Komisch dachte er.
Nun gab er direkt die Nummer ein. Einzeln drückte er die Ziffern: 03694695100.  Das Verbindungszeichen kam, und danach die Ansage: „Diese Nummer ist uns nicht bekannt. Bitte rufen sie die Auskunft an.“
Was ist los, fragte sich Peter und ging zu seiner Mutter. „Mutti? Hat die Oma eine neue Telefonnummer? Die von der Telekom sagen, dass ihnen die Nummer nicht bekannt ist.“ , fragte er. Seine Mutter schaute ihn an und sagte: „Nein, die haben keine neue Nummer.“
Nun ging Yvonne ans Telefon, drückte die Wiederholungstaste und sah, dass Peter die Nummer 36946951 eingegeben hatte. Sie lachte und sagte: „Peterle du bist heute wirklich nicht gut drauf. Du hast ja vergessen, die Nullen mit einzutippen!“ Sie drückte auf die Kurzwahltaste, wartete einen Augenblick, und Oma meldete sich am anderen Ende.
Peter war betrübt und dachte an seine Schulaufgaben und den Streit mit der Null. Habe ich wirklich mit der NULL gestritten, war sie real? So fragte er sich. ER schüttelte den Kopf und murmelte: „Das kann nicht sein. Das ist doch Blödsinn.“ Er ging in sein Zimmer, setzte sich an seinen Computer und startete ihn. Nach einiger Zeit flackerte es auf den Bildschirm, wurde wieder schwarz, und flackerte wieder auf. Peter schaltete ihn aus und dann wieder an.
Das Ergebnis war das gleiche. Es ging nichts mehr.
So ging Peter in das Zimmer von seinem großen Bruder Marcus, der sich mit Computern gut auskannte. Denn neben Fußball war Computer seine zweite Leidenschaft. „Marcus – kannst du mir mal bei meinem Computer helfen? Der startet nicht mehr hoch. Bitte.“ , bat Peter seinen Bruder. Dieser schaute ihn an, und sah, dass sein Kleiner traurig aussah. Und so machte er auch keine dummen Bemerkungen, sondern ging mit ihm in dessen Zimmer. Er setzte sich vor den PC und startete ihn. Aber der flackerte nur.
Marcus tippte schnell irgendetwas ein, und auf dem Bildschirm erschienen verschiedene Zeichen. Marcus wiegte den Kopf, guckte zu Peter und sagte: „Ja Kleiner, der ist wohl hin. Kaputt. "„Was? Wieso das denn? Gestern ging er doch noch?“ fragte er Marcus anschauend.
"Pass auf Peter. Das was du auf deinen PC siehst, ist eine ganz komplizierte Angelegenheit. Das erkläre ich dir später einmal ganz genau. Aber fürs Erste, alles was du siehst, wird durch die Ziffern 1 und 0 dargestellt. Ich sehe aber bei deinem PC, dass es nur Einsen gibt. Es sind keine Nullen vorhanden. Da kann ich dir leider jetzt nicht helfen. An den Computer muss ein Fachmann ran. Vielleicht brauchst du auch einen Neuen. Sei jetzt nicht traurig, dass bekommen wir schon wieder hin, mein Kleiner.“
Marcus streichelte seinen Bruder sanft übers Haar und ging wieder in sein Zimmer.
Peter war innerlich wütend. „Wieder die blöde Null. Soll dass Zufall sein? Das ist mir alles zu dumm,“ waren seine Gedanken.
Das Wochenende kam, und Peter fuhr mit seiner Mutter und Schwester zu Oma und Opa aufs Land. Es wurde ein schönes Wochenende. Oma hatte einen duftenden Kuchen gebacken. Und Opa ging mit Peter an die Fischteiche zum Angeln.
Zu schnell ging das Wochenende vorüber. Am Sonntag nach dem Nachmittagskaffee wurde

die Heimreise angetreten.
Man verabschiedete sich. Oma gab Peter einem Kuss, streichelte ihm übers Haar, und gab ihm einen Beutel Gummibärchen, die er ja gerne aß, und heimlich noch einen zehn Euroschein. Das durfte aber Peters Mutter nicht sehen, da sie es nicht mag, wenn Kinder zusätzlich Geld bekamen. Aber sie wusste auch, dass es die Großeltern doch machten.
Nun ging Peter zu seinem Opa. Dieser schlug ihm auf die Schulter, und meinte, er solle gut in der Schule aufpassen. Dann drückte er Peter an sich. Und wie nun mal Großeltern sind, steckte Opa seinem Enkel ebenfalls einen zehn Euroschein zu.
Peter bedankte sich. Stieg ins Auto und winkte Oma und Opa nochmals. Und schon fuhr man zurück, denn am Montag mussten ja alle wieder in die Schule oder zur Arbeit.
So begann die neue Woche. Peter ging wie immer zur Schule, und der Sportunterricht der letzten Woche war vergessen.
Eines Nachmittags schlenderte Peter durch die Stadt. Er sollte für seine Mutter in der Drogerie etwas besorgen, was er auch tat. Da er seine Hausaufgaben schon erledigt hatte, und bis zum Abendessen noch reichlich Zeit war, schaute er sich die Schaufenster an.
Vor einem Buchladen blieb Peter stehen und sah sich die Auslagen an.
Peter war nicht nur in Mathematik gut, sondern auch im Lesen und Schreiben. Dabei half ihm, dass er gerne Bücher las. Das bereitete ihm viel mehr Freude als der blöde Sport.
Als er sich so umschaute, sah er ein Buch, das er schon immer gern haben wollte. Er überlegte, ob er es sich kaufen sollte. Er hatte ja schließlich zwanzig Euro von seinen Großeltern bekommen. Und sicher hatten sie und auch seine Mutter nichts dagegen, wenn er sich dieses Buch kauft. Schließlich gab er es nicht für unnütze Dinge, wie Süßigkeiten aus.
Fest entschlossen ging Peter in den Buchladen. Zunächst guckte er sich um, und schließlich fand er das Buch. Damit ging er zur Kasse, und übergab das Buch dem Verkäufer. Dieser gab den Preis in die Kasse, und sagte: „Das macht 11,95 Euro.“ Er steckte das Buch in eine Tüte, und wartete auf das Geld. Peter holte seinen Geldbeutel aus der Hosentasche und gab die zwei zehn Euroscheine dem Mann.
Als dieser das Geld in der Hand hatte und es ansah, wurde sein Gesichtsausdruck sehr ernst. Und meinte zu Peter: „Willst du mich veräppeln? Was ist den das, was du mir da gegeben hast?“
Der Junge schaute den Verkäufer an und wusste überhaupt nicht, was dieser wollte und sagte kleinlaut: „Zwanzig Euro.“ Der Mann lachte, schüttelte mit dem Kopf: „Hör mal mein Kleiner. Das sind keine zwanzig Euro. Das ist nichts, was soll ich mit Spielgeld? Oder hast du schon einmal einen echten 1 Euroschein gesehen? Den gibt es doch gar nicht.“, raunte ihn der Mann böse an, und gab die Scheine dem Jungen zurück. Peter guckte auf das Papiergeld und sah, dass es wirklich nur 1 Euroscheine waren, und es gab ja tatsächlich kein solches Geld. Peter schaute den Verkäufer traurig an, entschuldigte sich, und ging mit gesenktem Kopf und den zwei Scheinen aus den Laden. Davor blieb er stehen und betrachtete sich nochmals das Geld.
Jetzt kam ihm der Streit mit der Null wieder in den Sinn.
War das doch kein Traum, dachte er. Erst das Telefon, dann der Computer und jetzt das Geld. Überall fehlten die Nullen. Das ist kein Zufall mehr. So ging er nachdenklich nach Hause.

Nach dem Abendbrot ging Peter auf sein Zimmer, er nahm noch einmal sein Mathebuch und Matheheft und schaute sich die letzten Aufgaben nochmals an. Denn am nächsten Tag sollte eine Mathematikarbeit geschrieben werden. Aber davor hatte Peter keine Angst. Am Tag darauf wurde die Klassenarbeit auch geschrieben. Peter hatte keine Probleme. Alles ging ihm leicht von der Hand.
Als die Schulklingel ertönte, gab er seine Arbeit ab und ging mit gutem Gefühl in die Pause.
In der darauffolgenden Woche wurde die Mathearbeit wieder zurückgegeben. Der Lehrer sagte, dass die Arbeit im Allgemeinen gut ausgefallen ist.
Jeder bekam sein Heft zurück mit der Aufgabe, die Fehler zu Hause zu berichtigen.
Nur Peter bekam seine Arbeit nicht. Herr Schmidt, der Mathelehrer, sagte zu Peter: „Peter, du kommst nach der Stunde bitte mal zu mir.“
Peter nickte mit dem Kopf und wunderte sich, dass er die Arbeit nicht zurückbekam. Mit Bauchschmerzen wartete er auf das Ende der Stunde. Sie war die Letzte des Schultages war.
Die Schulklingel ertönte, und alle Schüler packten eilig ihre Ranzen und Rucksäcke. Anschließend gingen sie schnell aus den Klassenraum.
Nur Peter blieb auf seinen Platz sitzen und wartete, was nun kommen mochte.
Herr Schmidt ging auf Peter zu, nahm sich einen Stuhl und setzte sich ihm gegenüber. Peter mochte seinen Mathelehrer, weil er immer freundlich zu den Schülern war, wenig schimpfte und einen Schüler wie den anderen gleich behandelte.
Jetzt aber sah ihn Herr Schmidt mit traurigen Blick an und sagte:
„Hör mal Peter, hast du Probleme? Warst du, als wir für die Arbeit geübt haben, krank? "Peter schaute seinen Lehrer an, schüttelte den Kopf und wusste nicht, warum er so etwas fragte. Herr Schmidt reichte ihm seine Mathearbeit und sagte: „Guck dir mal deine Arbeit an. Ich verstehe das nicht. Du bist doch der Beste in der Klasse. Aber, ich muss dir auf diese Arbeit die Note 6 geben. Auch wenn es mir schwergefallen ist. Du hast nicht mal einen einzigen Punkt geschafft. Du hast keine Nullen geschrieben. Warum?“
Peter schaute nun in seine Arbeit. Tatsächlich, alle Nullen, die er geschrieben hatte, waren verschwunden. Nur die roten Nullen für die erreichten Punkte waren zu sehen. Nun wusste er, dass der Streit mit den Nullen real war. Er schaute Herrn Schmidt traurig an, und nun kamen ihm die Tränen. Er bekam kein Wort heraus. Nur die Tränen kullerten ihn aus den Augen.
Herr Schmidt erhob sich von seinem Stuhl, ging zu Peter und legte ihm die Hand auf die Schulter und gab ihm ein Papiertaschentuch. „Jetzt wisch dir mal die Tränen weg und beruhige dich erst einmal. Und dann erzählst du mir deinen Kummer, wenn du möchtest. Es ist manchmal ganz gut, wenn man sich mit jemandem aussprechen kann. Und Peter, alles was du mir erzählst, das bleibt natürlich unter uns.“
Langsam beruhigte sich Peter. Da er Vertrauen zu seinem Lehrer hatte, fing er zu stottern an. Er erzählte ihm vom Sportunterricht, vom Streit mit der Null. Auch was er erlebt hatte, verschwieg er nicht. Herr Schmidt musste sich das eine und andermal das Lachen verkneifen.
Er zeigte Verständnis für den Jungen und sprach zu ihm:
„Ja mein Junge. So ist das nun mal im Leben. Alles ist wichtig. Jedes Ding hat seinen Sinn. Das siehst du jetzt selber. Was ist die Welt ohne die Nullen, was ist ein Automotor ohne Benzin, was ist Drachensteigen ohne den Wind? Es gibt nichts ohne einen Wert im Leben.

Alles ist wichtig, manches vielleicht Unwichtiger, aber nie sinnlos. Schau, wenn zum Beispiel einer eine
                                       `Sonntags-Frühstücksei-Aufschlag-und-Abpell-Maschine´
erfinden würde, ist das eine Wichtige oder ist es eine unwichtige Erfindung? Natürlich braucht das Gerät keiner, denn mit dem Messer geht es schneller und sicher auch besser.
Aber daraus kann man etwas Wichtiges lernen. Wir lernen, dass man so ein Maschinchen nicht braucht. Und diese Erkenntnis ist wiederum wichtig. Du siehst, es gibt nichts Unwichtiges. Aber nun gut, lerne daraus, dessen bin ich mir sicher. Denk darüber nach. Aber an der Note kann ich nichts ändern. Du hast nun mal keinen Punkt erreicht. Mach dir aber darüber keine Sorgen. Mit deinen vielen Einsen gleichst du das alle mal aus. Und keiner deiner Klassenkameraden wird von der 6 etwas erfahren.
Und noch etwas, das mit dem Sportunterricht werden wir auch in den Griff bekommen. So nun ist Unterrichtsschluss. Geh nach Hause und erhole dich von diesem Schreck. Sag deiner Mutter, dass ich mit dir über die Arbeit gesprochen habe, und alles wir gut.“

Peter packte seine Sachen und, gemeinsam mit dem Lehrer, ging er aus der Schule.
Nach Hause gekommen ging auf sein Zimmer. Legte eine CD ins Radio, legte sich aufs Bett, und lauschte der Musik. Gleichzeitig aber dachte er auch an das alles, was passiert war, und was der Lehrer ihm sagte. So ging es einige Zeit.
Dann stand er auf, setzte sich an den Schreibtisch, um seine Berichtigung der Mathearbeit zu erledigen.
Als er sein Heft aufschlug und die roten Nullen sah, und seine Nullen, die er geschrieben hatte, eben nicht, bekam er einen Schreck. Peter sah ins Heft und schrie: „Verdammt! Wenn alle Nullen verschwinden, die ich schreibe, wie soll ich dann die Arbeit berichtigen? Gebe ich sie Herrn Schmidt, dann sind sie alle wieder weg. Mist verdammt. Was soll ich nur machen?“
Peter stützte sich mit den Ellenbogen auf seine Arbeitsfläche und vergrub seinen Kopf in den Händen.
Plötzlich hörte er Geräusche und schaute auf. Und was er jetzt sah, das hatte er doch schon einmal gesehen. Auf dem Tisch sprangen die zehn Ziffern umher und stritten sich. Und wie beim letzten Mal hackten die Ziffern auf die NULL ein.
Ohne zu überlegen, meldete sich Peter: „Was bildet ihr euch eigentlich ein. Glaubt ihr wirklich, dass die NULL nichts wert ist. Du, SIEBEN, was meinst du, was du wärst, wenn es die NULL nicht gebe? Ich sag es dir, damit du, nicht solange nachdenken musst. Du wärst nichts Weiter als eine SIEBEN und würdest immer eine bleiben. Du könntest nie zu einer 70, oder gar zur 700 aufsteigen. Denn dazu brauchst du nun einmal die NULL, manchmal auch mehrere.“
Die Zahlen verstummten und schauten Peter verdutzt an. Auch die Null schaute auf Peter, die feuchte Augen hatte. Zu ihr sagte er im leisen Ton: „Ich möchte mich bei dir entschuldigen. Ich war ungerecht zu dir. Hatte Wut und habe nur an mich gedacht, und
nicht überlegt. Es tut mir leid. Du hast mir gezeigt, wie wichtig du bist. Wir brauchen uns doch alle. Verzeih mir.“
 
Die Null schaute ihn, mit Tränen in den Augen, freundlich an und gab ihm zur Antwort: „Ich weis nicht, was ich sagen soll. Du beschämst mich. Hätte nie gedacht, dass du dies zu mir

sagen würdest. Aber ich freue mich riesig, dass du dies eingesehen hast. Und sind wir wieder Freunde?“ Natürlich sind wir Freunde. Für immer und ewig.“, gab Peter, wie aus der Pistole geschossen, zur Antwort.
Nun war Peter wieder wohl in seiner Haut. Er konnte jetzt seine Berichtigung machen, mit der Gewissheit, dass die Nullen nicht mehr verschwinden. Und gelernt hat er auch einiges, waren seine Gedanken.
Zur nächsten Mathestunde gab er seine Berichtigung ab, und es war, wie sollte es anders sein, alles richtig.
Aber nun hatte er noch ein anderes Problem. Er hatte auch wieder Sport. Er ging mit ungutem Gefühl in den Umkleideraum, wo die anderen schon da waren.
Als Peter eintrat, fing Ralf schon an, zu grinsen. Ralf war der Junge, aber auch Peters Freund, der in eine Null genannt hatte.
„Schaut, da kommt unsere Sportnull.“ und lachte, wobei die anderen ebenfalls mit lachten. Erst wollte Peter ihn anschreien, aber dann trat er einige Schritte auf Ralf zu, lächelte und sagte in einem ganz ruhigen Ton: „Ralf. Es kann sein, dass ich im Sport eine Null bin, wie du sagst. Und da gebe ich dir auch recht. Aber wenn ich eine Null bin, dann bist du auch eine Null.“ Ralf verging das Lachen, das hatte er nicht erwartet, und fragte: „Was willst du damit sagen? Ich bin in Sport keine Null, das weist du ganz genau.“ Und Peter gab zurück:
„Das stimmt schon. Im Sport bist du prima. Aber wie steht es in Mathematik? Wer hilft dir oftmals bei den Hausaufgaben? Ich bin der Meinung, das du in diesen Fach eine Null bist.“
Ralf schaute Peter böse an. Es war ihm nicht einerlei, dass ihn Peter vor den ganzen Jungs eine Null genannt hat. Aber langsam wurde sein Blick wieder fröhlicher, und dann ging er auf Peter zu. Legte seinen Arm um seine Schulter, und meint zu Peter: „ Du bist ein wirklicher Freund. Sagst mir einfach die Meinung. Das hätte ich nicht erwartet. Aber ich muss sagen, du hast recht. Du bist eine Null in Sport, und ich eine Null in Mathe. Ja, jeder hat Stärken und Schwächen. Nur gemeinsam geht es besser. Also du hilfst mir in Mathe, und ich werde mit dir und den anderen Jungs nachmittags Fußball und anderes spielen. Und dann wirst du auch wendiger.“
Nun war alles wieder gut, und auch die anderen zeigten für die beiden Respekt.
Als sich alle umgezogen hatten, ging Ralf zu Peter nahm ihn in dem Arm. Er sagte: „Und jetzt gehen die Mathenull und die Sportnull, und versuchen zusammen aus der Null etwas Besseres zu machen.“
Beide lachten und gingen in die Turnhalle und schlossen hinter sich die Tür.

So ihr Lieben, wie es nun weiterging, dass weis ich nicht. Aber ihr könnt euch ja mal überlegen, wie es weiter gehen könnte.
Es war wieder schön mit euch. Und ich hoffe, wir sehen uns bald einmal wieder.
Bleibt gesund.

Tschüss, euer
Geschichtenerzähler Dieter